Im Westen verstehen wir unter Yoga meistens Hatha Yoga, also die körperlichen Übungen die uns zur Harmonie führen. Yoga ist aber weitausmehr als ein paar Asanas (Körperübungen). Lese hier im Detail was Yoga ist.
Yoga (‚yog‘ Sanskrit für Einheit) ist ein Weg zur Erleuchtung, zur Einswerdung, zur Verschmelzung mit der Quelle. Ein Yogi möchte durch Yoga zur Erleuchtung finden. Wie man so schön sagt, führen mehrere Wege nach Rom. So ist es auch im Yoga. Es gibt unterschiedliche Wege um ans Ziel zu gelangen. Die vier traditionellen Wege des Yoga sind Karma Yoga, Bhakti Yoga, Jnana Yoga und Raja Yoga. Jeder dieser Wege stellt unterschiedliche Methoden zur Verfügung um an das Ziel zu gelangen, welches immer das Gleiche ist: Die Erleuchtung. Es gibt keine klaren Grenzen zwischen diesen vier Wegen.
Die Quelle der Yogawege
Die vier Yogawege existieren schon seit der Entstehung des Yoga. Vor 3000 – 4000 Jahren entstand die Yoga Philosophie in Indien, die zuerst mündlich von Lehrer zu Schüler und in späterer Folge schriftlich weitergegeben wurde. Alle vier Wege werden in der Bhagavad Gita (vermutlich entstanden zwischen dem 5. und 2. Jh. v. Ch.) erwähnt, Shankara (indischer Philosoph des 8. Jh.) fokussiert sich auf Jnana Yoga, Ramanuja (Hinduistischer Theologe des 11. und 12 Jh.) legt der Schwerpunkt auf Bhakti Yoga und in Patanjali’s Yoga Sutras (400 v. Ch.) wird die Wichtigkeit des Raja Yogas diskutiert.
Die vier traditionellen Yogawege
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Karma Yoga – Selbstloses Dienen
Karma bedeutet übersetzt „Handlung“. Der Weg des Karma Yogas ist jede Handlung bewusst auszuführen. Nicht was wir tun zählt, sondern wie wir es tun. Jede Handlung sollte von Herzen kommen und zum Wohle Aller sein. Karma Yogis tuen nichts um die Früchte davon zu ernten, sei es finanziell, sozial oder spirituell. Selbstloses Dienen ohne einen Gegenwert zu erwarten – das ist Karma Yoga. Eine tiefe Erfüllung geht damit einher. Bekannte Karma Yoginis unserer Zeit sind beispielsweise Mutter Theresa oder Florence Nightingale.
Karma Yoga im Alltag
Karma Yoga lässt sich sehr gut im Alltag integrieren. Dabei musst du dich nicht einmal einer gemeinnützigen Organisation anschließen. Führe deine Handlungen mit Absichtslosigkeit aus. Erledige zum Beispiel den Abwasch, ohne Lob zu erwarten. Möchtest du eine Stufe weitergehen, kannst du dir einen regelmäßige Tätigkeit aussuchen, mit der du anderen eine Freude bereitest: Spaziergänge fürs Tierheim, Besuch im Altersheim, Patenschaft für ein Kind oder Tier, kostenloses Babysitten, Einkaufsdienst für die ältere alleinstehende Nachbarin … Im Karma Yoga gibt es keine Grenzen.
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Bhakti Yoga – Liebenden Hingabe
Bhakti Yoga ist das Yoga der Hingabe. Dabei kann die liebende Hingabe auf Göttliches, aber auch auf Alltägliches bezogen sein. Ein wahrer Bhakti Yogi sieht das Göttliche in allem – jeder Blume, jedem Stein und auch jedem Menschen. Diese Hingabe geht einher mit dem Gefühl der Dankbarkeit, Teil des Abenteuer Lebens zu sein. Praktiken des Bhakti Yogas sind Rituale, Gesang, Mantras, Poesie, Kirtan, Tanz – eben alles mit dem wir unsere Lebensfreude und Hingabe zur göttlichen Schöpfung Ausdruck verleihen können. Einer der bekanntesten Bhakti Yogis in Indien ist Lord Hanuman. Die hinduistische Gottheit in Gestalt eines Affen lebte in tiefer Hingabe zu Gott Rama.
Bhakti Yoga im Alltag
Wir können Bhakti Yoga ganz einfach in unseren Alltag integrieren, indem wir auf die kleinen Dinge achten und diese wertschätzen. Auch Ereignisse, die uns negativ erscheinen, können wir mithilfe des Bhakti Yogas ins positive Licht rücken. Wir sind Teil eines großen Experiments, das wir Leben nennen. Jede Erfahrung, die wir machen, lässt uns wachsen uns bringt uns näher zum Göttlichen in uns.
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Jnana Yoga – Erkenntnis
Jnana Yoga ist das Yoga des Wissens und der tiefen Erkenntnis. Es erforscht die Feinheiten des menschlichen Geistes mithilfe des rationalen Geistes. Im Fokus steht die Frage: Wer bin ich? Ein Jnana Yogi erreicht durch das Studium philosophischer Schriften (beispielsweise Bhagavad Gita) umfangreiches Wissen, welches er anschließend praktisch umsetzt und so zu tiefen Erkenntnissen gelangt. Durch diesen Vorgang wird eine Selbsterkenntnis angestoßen, der Jnana Yogi lernt, Wirklichkeit von Unwirklichkeit zu unterscheiden. Philosophen können als Jnana Yogis betrachtet werden.
Jnana Yoga im Alltag
Im Alltag können wir Jnana Yoga ausführen, indem wir philosophische Bücher lesen, meditieren und unsere Erkenntnisse mit anderen diskutieren. Jede Schrift, die uns ein Aha-Erlebnis (sozusagen einen Miniatur-Erleuchtung) schenken, können für Jnana Yoga eingesetzt werden. Dazu zählen auch Selbsthilfebücher. Man sollte nur darauf achten, dass kein Dogma gepredigt wird. Hilfreich sind Bücher, die ein Verständnis für einen Umstand übermitteln.
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Raja Yoga – Geisteskontrolle
Im Raja Yoga, dem Königsweg des Yoga (‚raj‘ Sanskrit für König), steht die menschliche Psyche im Mittelpunkt. Ein Raja Yogi arbeitet mit seinem Unterbewusstsein, seinem bewussten Denken, seinem Verstand und seiner Intuition. Heutzutage wird Raja Yoga als Meditation verstanden, dass ist so aber nicht ganz richtig. Meditation ist die letzte Stufe des Raja Yogas, die man erreicht, wenn man alle anderen Stufen gemeistert hat.
Die acht Stufen des Raja Yogas
- Yama (Ethnische Haltung gegenüber Umwelt: Gewaltlosigkeit, Wahrheit sprechen, kein Stehlen, kein Überfluss, kein Geiz)
- Niyama (Ethnische Haltung gegenüber uns selbst: Reinheit, Genügsamkeit, Selbstdisziplin, Selbststudium, Hingabe zum Göttlichen)
- Asana (Körperübungen)
- Pranayama (Atemübungen)
- Pratyahara (Nach-Innen-Ziehen der Sinne: Rückzug von negativen Einflüssen und Öffnen hin zu positiven Einflüssen)
- Dharana (Konzentration)
- Dhyana (Meditation)
- Samadhi (Erleuchtung)
Raja Yoga im Alltag
Um Raja Yoga in unseren Alltag zu integrieren, können wir beginnen ethnisch zu handeln. Dazu zählen Gewaltlosigkeit (kein Fleisch, kein Streit), Bescheidenheit und auch Reinheit. Der nächste Schritt ist Asanas und Pranayama. Dafür empfehlt es sich, einen Yoga Kurs zu besuchen. Falsch ausgeführte Körperübungen und Atemübungen können auf Dauer großen Schaden anrichten. Anfänger sollten also nur unter Leitung eines Lehrers üben. Der fünfte Schritt ist Pratyahara, das Nach-Innen-Ziehen der Sinne, ist schwer zu erklären, da du ihn erfahren werden musst, um ihn zu verstehen. Im Groben meint Pratyahara das Kontrollieren unserer Gelüste und der Rückzug von Dingen des Alltags, die uns nicht guttun. Danach kommen Konzentration und Meditation.
Weitere Yogawege
Hatha Yoga – Körperbeherrschung
Der wohl bekannteste Yoga Weg ist Hatha Yoga. Mithilfe von Asanas (Körperübungen), Pranayama (Atemübungen), Mudras (Handgesten), Bandhas (neuromuskuläre Verschlüsse), Shatkriyas (Reinigungstechniken) und Entspannungstechniken wird der Körper harmonisiert und für langes Sitzen in der Meditation vorbereitet. Hatha Yoga spielt eng mit Raja Yoga zusammen. Ohne Raja Yoga kein Hatha Yoga. Ohne Hatha Yoga kein Raja Yoga. Hatha Yoga ist die Mutter der zahlreichen Yogaschulen wie Vinyasa Yoga, Iyengar Yoga, Yin Yoga. Die unterschiedlichen Yogastile werden in einem extra Blogeintrag erläutert.
Hatha (‚ha‘ Sanskrit für Mond, ‚tha‘ Sanskrit für Sonne) bedeutet Wille und wird als Einheit der Dualität angesehen. So werden durch Hatha Yoga gegensätzliche Tendenzen (männlich / weiblich) im Körper und Geist harmonisiert.
Lerne mehr über Hatha Yoga in unserer 200h Hatha Yoga Lehrer Ausbildung.
Kriya Yoga – Aktives Handeln
Im Kriya Yoga, einer Form des Raja Yogas, wird versucht den Geist und den Atem in Einklang zu bringen. Der Geist beeinflusst den Atem. Das Atmen beeinflusst den Geist. So wird Atemkontrolle gleichgesetzt mit Selbstkontrolle und das Beherrschen des Atems mit Selbstbeherrschung. Man geht davon aus, dass Kriya Yoga den Körper, den Geist und die Seele gleichermaßen entwickelt. The Techniken des Kriya Yogas sind sehr einfach und können einfach im Alltag integriert werden. Wie auch andere Yogawege arbeitet Kriya Yoga direkt mit Prana (der Lebensenergie) und öffnet die Energiekanäle. Kriya Yoga hat einen großen Einfluss auf unsere Emotionen, Energien und Stimmungen und sollte daher zu Beginn von einem Meister, einem Guru, erlernt werden.
Tantra Yoga – Studium des Universums
Tantra (Sanskrit für Gewebe, Zusammenhang) ist ein Weg des Yoga, welcher das Universum als Zusammenspiel von Bewusstsein und Energie ansieht. Mithilfe des Tantra Yoga werden die Grenzen des Physischen aufgebrochen und hinter den Vorhang des Materiellen geblickt. Es ist eine Methode zur Bewusstseinserweiterung durch Energien. Dabei werden zwei Wege unterschieden. Der äußere, linke Weg und weitaus schwierigere Weg führt über sexuellen Kontakt. Dieser Weg wird häufig missverstanden. Er wird nur höchstentwickelten Yogis empfohlen, die sich über längere Zeit von sexuellen Verlangen losgesagt haben. Der rechte, innere Weg nutzt Asanas, Pranayama und meditative Visualisierungen um eine Erhöhung des Bewusstseins zu erlangen.
Mantra Yoga – Kraft des Klanges
Das Sanskritwort Mantra kann als ‚Befreiung des Verstandes‘ übersetzt werden. Bei Mantras handelt es sich um Silben, Worte oder Phrasen, die wiederholt laut oder im Geiste rezitiert werden. Mantra Yoga ist eine Art Konzentration – der Geist wird mit einem Mantra zur Ruhe gebracht. Jeder Klang hat eine spezielle Schwingung. Durch das Rezitieren übernehmen wir diese Schwingung oder Energie in unseren Körper und unseren Geist. Mantra Yoga ist auch als Japa Yoga bekannt. Unter Japa versteht man das wiederholte Rezitieren eines Mantras.
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